Freitag, 7. September 2007

Der Weg ist das Ziel

In ferner Vergangenheit (vor sechs oder sieben Wochen muss das gewesen sein) hatte ich - so meine ich mich jedenfalls zu erinnern - erwähnt, dass ich an der Uni einen Intensivkurs für Latein besuche. Der erste Teil davon ist jetzt vorbei, ich habe ein halbes kleines Latinum (ein sehr kleines, quasi), und wenn alles gut geht dann in weiteren sechs Wochen ein Ganzes.
Da der Kurs an der Uni statt fand, und ich mich daher relativ häufig auf dem Weg zu beziehungsweise von selbiger hin respektive weg befand, die öffentlichen Verkehrsmittel nutzend (S- und U-Bahnen, die paar Minuten Busfahrt zum S-Bahnhof fallen dank Fahrrad aus), hatte ich reichlich Gelegenheit (nämlich an vier Tagen der Woche) mir noch einmal in Erinnerung zu rufen wie wenig ich von meinem durchschnittlichen Mitmenschen halte - und welch seltsamen Gestalten man in so einer Bahn teils begegnet.
Prinzipiell macht Fahrradfahren Freude, wenn das Wetter einigermaßen gut ist. Und was das angeht bin ich sehr tolerant, und halte auch strömenden Regen für einigermaßen gutes Wetter. Schlecht wird es erst, wenn es so richtig kalt wird, oder ich massiven Gegenwind habe, Eis und Glätte die Fahrt zum Abenteuer machen, oder ich schon beim ersten Tritt in die Pedale angesichts begeistert den Siedepunkt meines Blutes auslotender Sonnenstrahlen jedwede Körperflüssigkeit ausschwitzen muss. Glücklicherweise hielt sich das für die Dauer des besagten Kurses in Grenzen, es regnete einmal, ansonsten war das Wetter durchaus annehmbar. Da der Unterricht erst Nachmittags begann hatte ich auch keinen morgendlichen Stress, keinen Zeitdruck, musste nie die zu Hause vertrödelten Minuten mit Fahrrad aufholen, konnte immer ein paar Minuten eher losfahren, und musste nie befürchten die Bahn zu verpassen.
Ich erreichte die S-Bahn also generell in positiver Grundstimmung, hatte etwas zu lesen dabei, für unterwegs, und musste auch nur einmal umsteigen. Die Stimmung schlug aber meist schnell in eine leicht gereizte, angespannte Gemütslage um, die nicht einer gewissen inhärenten Agressivität entbehrte. Denn spätestens beim Umsteigen in die U-Bahn musste ich mich durch Massen stupider Menschen kämpfen. Zunächst die Deppen an den Bahntüren, denen das Konzept erst die anderen Fahrgäste aussteigen zu lassen, um dann selber leichter einsteigen zu können völlig fremd war, und die sich dementsprechend direkt vor den Türen aufgebaut hatten, und einen dann recht begriffsstutzig anstarrten wenn man versuchte sie durch geduldiges Warten in der Tür auf die missliche Lage aufmerksam zu machen. Da hilft aber alles nichts, Augen zu und durch heißt die Devise, und keine Rücksicht auf Verluste.
Die Deppen die nicht gerade vor den Türen standen gaben sich aber auch alle Mühe möglichst im Weg zu sein. Entweder sie schlichen langsam vor einem her, liefen in Schlangenlinien und ständig anderen Leuten vor die Füße, oder - und das macht immer noch am meisten Spaß - liefen zu siebt in einer Reihe gemütlich die einzige Treppe hinunter, von den Menschen vor und hinter sich, die vermeiden wollten die nächste Bahn zu verpassen, gänzlich unbeeindruckt. Der Vollständigkeit halber sei aber gesagt, dass mir gelegentlich auch Fahrradfahrer in Schlangenlinien vor der Nase rumgekreuzt sind und mich tunlichst am Vorbeikommen gehindert haben - das war aber zum Glück eher selten der Fall.
Einmal an den Treppenversperrern vorbeigezwängt kamen wieder kurzzeitig die Slalomläufer, bis zur nächsten Treppe zum anderen Bahnsteig hatte ich dann aber meist schon alle anderen überholt und war nun endgültig zutiefst genervt, hatte nun aber wieder eine kurze Phase der Entspannung vor mir, denn die U-Bahn war um die Zeit praktisch leer. Angekommen, ausgestiegen, zur Uni gelaufen, die Kurzfassung von Aeneas Flucht aus Troja übersetzt, zurück zur U-Bahn, und wieder heim. Die Rückfahrt war in der Regel nicht sonderlich anders als die Hinfahrt. Die Bahnen waren etwas voller, der Nervpegel etwas höher, die Wartezeit beim Umsteigen überstieg gelegentlich fünf Minuten, dafür wusste man aber dass man bald wieder daheim sein würde.
Es gab natürlich auch Ausnahmen. So durfte ich mich kürzlich über eine zwölfminütige Verspätung der S-Bahn freuen (spielende Kinder im Gleisbereich irgendwo weit, weit weg, die das gesamte Verkehrsnetz lahmgelegt haben). Dann gab es erhebliche Verwirrung bezüglich der Länge des Zuges - normalerweise fährt eine normallange Bahn, als ich sie passierte stand auf der Digitalanzeige irgendwelche blödsinnige Werbung über einen Tag der offenen Tür bei den S-Bahnen, ich ging also ans Ende des Bahnsteiges, um in den letzten Waggon zu kommen, damit ich direkt am Bahnhofsausgang aussteigen konnte. Da stand ich dann, da kam mir irgendwann ein Lokführer entgegen der mir mitteilte das die nächste Bahn als Kurzzug führe. Ich bedankte mich recht herzlich und machte mich auf den Rückweg. Gerade im Kurzzugbereich angekommen gab es eine Durchsage: "Der nächste Zug in Richtung Poppenbüttel fährt als Kurzzug." Na danke auch, weiß ich schon. Die Meldung veranlasste allerdings alle anderen Wartenden, sich in Richtung Bahnsteigsende in Bewegung zu setzen. Leicht verwirrt und an meinem Gehör zweifelnd folgte ich dem Herdentrieb nach hinten, erwiderte das Schulterzucken des mir entgegenkommenden Lokführers, und stieg in den letzten Wagen ein, als die Bahn endlich kam.
Kaum hatten sich alle gesetzt, kam eine erneute Durchsage, diesmal innerhalb der Bahn, man möge doch bitte aussteigen. Keine Reaktion, also blieb auch ich sitzen. Wenige Sekunden später eine erneute Aufforderung, also dachte ich mir ich stelle die Sache mit dem Herdentrieb mal auf die Probe, stand auf, und plötzlich bewegte sich alles wieder in Richtung Ausgang und in die vorderen drei Wagen, die dann natürlich entsprechend überfüllt waren. Auch da nur seltsame Gestalten. An vorderster Front war der japanische Opa mit seinem Enkel. Sie stiegen ein, stiegen wieder aus und betrachteten ein Werbeplakat für Fantasialand, warteten das obligatorische "zurückbleiben bitte" ab, und sprangen zurück in die Bahn. Drei Haltestellen weiter stiegen sie dann (wieder kurz bevor die Türen sich schlossen) um in die Bahn die andere Richtung zurückfuhr.
Ähnlich seltsam war der ganz auf harter Macker getrimmte Kerl neben mir, in der Hand das Handy, zugehörige Kopfhörer im Ohr, den gesamten Zug in Konzertlautstärke mit irgendwelcher Technogrütze beschallend. So weit so schlecht. Die Tracklist spielte dann aber als nächstes das Lied von der dicken Anna ab, woraufhin ich mir das Lachen verkneifen musste, er verzog keine Miene. Das erinnerte mich wiederum an die tolle Werbung irgendeines Sprachinstituts, bei deren Anblick in der U-Bahn ich auch jedes Mal lachen muss. Trotz allem konnte ich mich beherrschen, und auf dem Rückweg mit dem Fahrrad sogar knapp einer Nacktschneckenkongregation auf dem Bürgersteig ausweichen. Nicht aber der in Schlangenlinien fahrenden alten Frau auf dem klapprigen Fahrrad vor mir, die musste mich unbedingt noch bis zur nächsten Ampel ausbremsen. Und wie eingangs erwähnt - in zehn Tagen fängt der zweite Kurs an, und ich muss wieder vier Mal die Woche zur Uni...

1 Kommentar:

Madse hat gesagt…

Unglaublich. Da lob ich mir doch meinen Provinz-Bus